Da große Mengen an Kunststoffabfällen über Jahrzehnte in Niedriglohnländer exportiert und dort auf Deponien entsorgt wurden, haben sich in diesen Ländern umfangreiche, informelle Arbeitsstrukturen zur Sammlung und zum Recycling von Kunststoffabfällen entwickelt. Alles Nachfolgende beschreibt diese Strukturen und Prozesse und lässt operativ-logistische Prozesse der Recyclingindustrie in Ländern der westlichen Welt unberücksichtigt:
Sicher ist, dass es auch in diesen Ländern private Haushalte, gewerbliche Betriebe, Industrie und andere Verbraucher (X.) von Kunststoffen gibt, die diese nach Gebrauch entsorgen (1a). Betreibt die jeweilige Gemeinde eine Müllabfuhr, wird der Abfall meist auf offiziellen Mülldeponien entsorgt oder verbrannt. Im besten Fall arbeiten zumindest offiziell einige Waste Collector (A) für die Gemeinde, die bei privaten Haushalten, im Gewerbe oder der Industrie Abfälle einsammeln (2a) und so zur offiziellen Abfallentsorgung beitragen. Zum Teil nutzen diese Waste Collector ihre Arbeitsbeziehungen aber auch, um einen Teil der Sammlungen privat über Junk-/Scrap-Shops (E) zu veräußern (2b). Ähnlich aufgestellt sind die selbständig arbeitenden Recyclables Collector (B), die ihre Beziehungen zu privaten Haushalten und/oder zum Gewerbe nutzen, um von diesen wiederverwertbare Kunststoffe anzukaufen (3a). Eine Quelle für Nebeneinkünfte stellen weggeworfene Abfälle dar (3b), die sie von den Straßen aufsammeln.
Auch sie verkaufen an Betreiber von Junk-/Scrap-Shops (3c). Im informellen Sektor stellen die Junk-/Scrap-Shops die zentralen Umschlagplätze für Kunststoffe dar, die durch Waste Picker (C & D) von offiziellen Mülldeponien, Müllkippen, Straßen, Plätzen, Flüssen und anderen Orten oder von Waste bzw. Recyclables Collector gesammelt wurden. In der Regel verkaufen (4b) kleine Waste Picker (C) die gesammelten Kunststoffe an Waste Picker mit größeren Lagerungsmöglichkeiten (D). Diese veräußern (4c) ihre Kunststoffe wiederum an Junk-/Scrap-Shops (E), die diese an größere Junk-/Scrap-Shops (F) weiterverkaufen (4d). Aggregatoren (G), die noch größere Mengen an Kunststoffen zwischenlagern können und erste Vorsortierungen durchführen, kaufen von den größeren Junk-/Scrap-Shops Kunststoffe an (5a) und verkaufen (5b) diese weiter an Prozessierer (I) oder direkt an Recycler (J). Ähnliche Strukturen und Prozesse über den informellen Sektor werden insbesondere für Indien und südostasiatische Länder beschrieben (Mehra et al. 2018, 56; Ocean Conservancy 2017, 46f).
Einige Waste Picker (C) haben insofern eine besondere Rolle, da sie die gesammelten Kunststoffe nicht zwingend nur innerhalb des informellen Sektors, sondern auch an PRO veräußern (6a). Diese Waste Picker erhalten im Gegenzug für die an PRO ausgelieferten Kunststoffe Geldgegenwerte in Form von Token oder Kryptowährungen ausgezahlt. Die Höhe der Auszahlung bemisst sich an der Menge bzw. dem Gewicht der gesammelten Kunststoffe und deren Qualität. Die elektronischen Währungen können die Waste Picker meist lokal, teilweise aber auch landesweit, nutzen, um davon wiederum Waren und/oder Services einzukaufen. PRO sind entweder lokal vor Ort ansässig und haben dort Kunststoff-Sammlungs- und Recyclingstrukturen (KSR) aufgebaut. Oder sie haben ein Geschäftsmodell, mit dem sie in den Ländern KSR-Zentren betreiben, in denen es eine hinlänglich große Anzahl an Waste Picker (C) gibt, die ihnen ausreichend große und homogene Mengen der gewünschten Kunststoffsorten liefern können.
Literatur (sofern nicht direkt verlinkt)
mit letztem Zugriff am 25.11.2020:
- Mehra, G.; Hemkhaus, M.; Gaurav, J. K.; Eisinger, F.; Henzler, M. & Hibler, S. (2018): Enhancing ressource efficiency through extended producer responsibility. Herausgegeben von Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ)