für die Ozeane

Bereits zehn Jahre nachdem die ersten Kunststoffe industriell gefertigt wurden, konnten Anfang der 60er Jahre erste Kunststofffragmente in den Mägen von Prionen (der Name einer Vogelart) auf Neuseeland (1962) und im Magen eines Albatros auf Hawaii (1966) nachgewiesen werden. (Harper & Fowler 1987, 67; Kenyon & Kridler 1969, 340; Barnes et al. 2009, 1994; Ryan 2015, 3f).

Im Vergleich dazu wurden in einzelnen Küstengewässern und in Teilen der Weltmeere erst Anfang der 70er Jahre erste Kunststofffragmente gefunden. Vor dem Hintergrund der weltweiten Kunststoffproduktion und Entsorgungspraktiken vermutete man aber bereits damals, dass die Kunststoffbelastung der Ozeane wahrscheinlich zunehmen wird (Buchanan & Buchanan 1971, 23; Carpenter & Smith, Jr. 1972, 1240).

Seitdem wurden mehr als 1000 wissenschaftliche Artikel zur Verbreitung der sogenannten `Marine Plastic Pollution´ und mehr als 1600 Artikel über die Auswirkungen auf Flora und Fauna publiziert (Tekman et al. 2019a; Tekman et al. 2019b). Einige Organisationen haben es sich zur Aufgabe gemacht, kartographisch zu erfassen, wo Kunststoffe gefunden und/oder gesammelt wurden.

2016 und 2017 veröffentlichte die Ellen MacArthur Foundation in zwei Publikationen die allarmierende Aussage, dass in einem Business-as-usual-Szenario und ohne signifikante Gegenmaßnahmen bis 2050 mehr Kunststoffe als Fisch in den Ozeanen (bezogen auf das Gewicht) enthalten sein werden (Ellen MacArthur Foundation 2016, 29; Ellen MacArthur Foundation 2017b, 12).

Grobe Schätzungen gehen davon aus,
dass die Ozeane bereits heute mit ca. 150 Mio. Tonnen Kunststoff kontaminiert sind
und der Eintrag der Marine Plastic Pollution bei ca. 8 Mio. Tonnen/Jahr liegt
(Ellen MacArthur Foundation 2017b, 12; Ocean Conservancy 2017, 16;
McKinsey & Company & Ocean Conservancy 2015, 14).

Als Referenz für den Jahreseintrag beziehen sich die genannten Autoren zumeist auf Hochrechnungen von Jambeck et al. (2015, 768), die Abfallwerte aus dem Jahr 2010 und Populationsdaten der küstennahen (50km) Bevölkerung für 192 Länder berücksichtigt und den Eintrag der Marine Plastic Pollution mit einer Schwankungsbreite von 4,8 bis 12,7 Mio. Tonnen pro Jahr angegeben haben (WWF 2017, 1).

Neuere GIS-Analysen zu Flusseinzugsgebieten und Bevölkerungsdaten ergaben nach Lebreton et al. (2017) Werte von 1,15 – 2,41 Mio. Tonnen bzw. nach Schmidt et al. (2017) 0,41 – 4 Mio. Tonnen MPP pro Jahr. Nach Lebreton et al. (2017, 3) stammen 67% der Marine Plastic Pollution aus den 20 größten Flusseinzugsgebieten der Welt, von denen 15 in Asien liegen. Nach Schmidt et al. (2017, 12252) sind dies 88% – 94%, die durch die zehn größten Flusseinzugsgebieten der Erde verursacht werden. Die letzten Analysen zu dieser Fragestellung bestätigten diese Zahlen im Jahr 2021 noch einmal mit 0,8 bis 2,7 Mio. Tonnen pro Jahr. Dabei wurde festgestellt, dass ca. 1000 Flüsse für ca. 80% der gesamten Kunststoffeinträge in die Weltmeere verantwortlich sind (Meijer et al. 2021, 1)   

Als weitgehend gesichert gilt, dass die Länder China, Thailand, Indonesien, die Philippinen, Vietnam und Sri Lanka die Hauptverursacher der Marine Plastic Pollution sind (Jambeck et al. 2015, 769). Forrest et al. (2019, 3) haben die Kalkulationen von verschiedenen Autoren aus unterschiedlichen Quellen miteinander addiert und kommen mit 15 Mio. Tonnen Marine Plastic Pollution pro Jahr auf deutlich höhere Werte. Die UNEP gab die Menge an MPP 2014 vage mit 10 bis 20 Mio. Tonnen pro Jahr an (UNEP 2014, 7).

In einem starken Widerspruch stehen zu diesen Massen die kalkulierten Werte über Mikro- und Makroplastikteile im Meer: Eriksen et al. (2014, 1) kommen auf ca. 5,25 Bill. Kunststoffpartikel mit einem Gesamtgewicht von über 268.000 Tonnen. Auf ca. 15 – 51 Bill. Kunststoffpartikel mit einem Gewicht zwischen 63.000 und 236.000 Tonnen kommen van Sebille et al. (2015, 1). Da mehr als 65,5% der weltweit produzierten synthetischen Polymere prinzipiell schwimmfähig sind, müssten die Kunststoffmengen, die auf den Meeresoberflächen treiben, um mehrere Faktoren höher liegen (Lebreton et al. 2019, 1).

Verschiedene Berechnungsmodelle haben versucht, diese Differenz unterschiedlich zu erklären: Eine 2016 veröffentlichte Publikation erklärt sie damit, dass 94% der Marine Plastic Pollution auf den Meeresboden absinken, 5% an den Stränden und nur 1% auf den Meeresoberflächen zu finden sind (Eunomia Research & Consulting Ltd 2016, 4). Ein Jahr später wurde die Entwicklung eines Simulationsmodells publiziert, mit dem erklärt wird, dass 99,8% der Marine Plastic Pollution unter die Meeresoberfläche abgesunken sind (Koelmans et al. 2017). Dem widerspricht eine Publikation mit einem alternativen Erklärungsmodell: Dies beschreibt, dass 97% der Kunststoffe, die von Flüssen in küstennahe Gewässer geschwemmt werden, zwischen diesen und den Uferbereichen oszillieren, sich dort aber letztlich ablagern. Nur 3% des gesamten Kunststoffs erreichen die offenen Ozeane (Lebreton et al. 2019, 6).

Die unterschiedlichen Erklärungsmodelle und hohen Schwankungsbreiten aller bis hierher genannten Zahlen
machen deutlich, dass bis heute keine verlässlichen Daten und eine große Unsicherheit über die
tatsächlichen Quellen und Mengen der Marine Plastic Pollution
existieren
(Niaounakis 2017, 10; Mendenhall 2018, 292; Maximenko et al. 2019, 2).

Mittlerweile ubiquitär ist die Verbreitung von Mikroplastik: In den Ozeanen wurde Mini-Mikroplastik in einer Konzentration von 8,3 Mio. Teile pro Kubikmeter Meerwasser nachgewiesen (Brandon et al. 2019, 6). Auf dem Meeresboden vor Korsika lag die Konzentration bei 1,9 Mio. Teile pro Quadratmeter (Kane et al. 2020, 1140). Sowohl in der Antarktis als auch Arktis wurde Mikroplastik gefunden. In letzterer mit teilweise über 12.000 Teilen Mikroplastik pro Liter Meereis (Peeken et al. 2018, 1; Greenpeace e.V. 2018, 8). Die Krustentierart Eurythenes plasticus sp. nov erhielt 2014 ihren `sprechenden Namen´, weil sie im Mariannengraben zwischen 6.000m und 7.000m mit Kunststofffasern im Verdauungstrakt gefunden und anschließend als neue Art identifiziert werden konnte (Weston et al. 2020, 1). Erst vor wenigen Monaten wurden in Sedimenten des Kuril Kamtschatka Grabens in einer Tiefe von ca. 8.250m Mikroplastikkonzentrationen in der Höhe von 14 bis 209 Teile pro kg Sedimentmasse gefunden (Abel et. al., 2021). 


Literatur (sofern nicht direkt verlinkt) mit letzter Ergänzung am 24.01.2021:

  • Abel, S. M.; Primpke, S.; Int-Veen, I.; Brand, A.; Gerdts, G. (2021): Systematic identification of microplastics in abyssal and hadal sediments of the Kuril Kamchatka trench; Environmental Pollution; Volume 269, 2021; 116095; ISSN 0269-7491; DOI: 10.1016/j.envpol.2020.116095 
  • Barnes, D. K. A.; Galgani, F.; Thompson, R. C.; Barlaz, M. (2009): Accumulation and fragmentation of plastic debris in global environments, Philosophical Transactions of the Royal Society B: Biological Sciences, Jg. 364, H. 1526, 1985–1998; DOI: 10.1098/rstb.2008.0205
  • Brandon, J. A.; Freibott, A. & Sala, L. M. (2019): Patterns of suspended and salp‑ingested microplastic debris in the North Pacific investigated with epifluorescence microscopy, Limnology and Oceanography Letters, Jg. 47 // 5, H. 1, 829; DOI: 10.1002/lol2.10127.
  • Buchanan, J. B. & Buchanan, J. B. (1971): Pollution by synthetic fibres, Marine Pollution Bulletin, Jg. 1971 // 2, H. 2, 23; DOI: 10.1016/0025-326X(71)90136-6
  • Carpenter, E. J. & Smith, K. L., Jr. (1972): Plastics on the Sargasso sea surface, Science, Jg. 1972 // 175, H. 4027, 1240–1241; DOI: 10.1126/science.175.4027.1240
  • Jambeck, J. R.; Geyer, R.; Wilcox, C.; Siegler, T. R.; Perryman, M. & Andrady, A. et al. (2015): Marine pollution. Plastic waste inputs from land into the ocean, Science (New York, N.Y.), Jg. 347, H. 6223, 768–771; DOI: 10.1126/science.1260352
  • Niaounakis, M. (2017): Management of Marine Plastic Debris. Prevention, recycling, and waste management. Oxford, United Kingdom.
  • Weston, J. N. J.; Carrillo-Barragan, P.; Linley, T. D.; Reid, W. D. K. & Jamieson, A. J. (2020): New species of Eurythenes from hadal depths of the Mariana Trench, Pacific Ocean (Crustacea: Amphipoda), Zootaxa, Jg. 4748, H. 1; DOI: 10.11646/zootaxa.4748.1.9.