Recyclingverfahren

Alle Recyclingverfahren werden grob in mechanisch-(thermisches) und chemisches Recycling unterteilt und nach der Qualität ihrer Ergebnisse beurteilt (Rahimi & García 2017, 2):

  1. Beim primären Recycling, das mit mechanischen Technologien durchgeführt und auch `closed-loop´-Recycling genannt wird, erhält das Rezyklat die nahezu gleiche Qualität wie das Ausgangsmaterial. Dieses Verfahren funktioniert in der Regel nur bei typen- oder sortenreinen Kunststoffen (Hellerich et al. 2010, 56). Meistens liegen diese nur bei gewerblichen, industriellen oder sehr gut vorsortierten Abfällen vor, die direkt beim Verbraucher abgeholt werden.
  2. Auch beim sekundären Recycling kommen ausschließlich mechanische Recycling-Technologien zum Einsatz. Hier reichen jedoch sortenähnliche Ausgangskunststoffe aus. Diese können auch vermischt sein, sofern sich die Polymere beim Extrudieren chemisch vertragen (Hellerich et al. 2010, 56; Martens & Goldmann 2016, 283). Vor allem durch die Vermischung der Additive haben die Rezyklate nicht mehr die gleichen Eigenschaften wie ihre Ausgangsmaterialien. Da sich diese Rezyklate häufig nur zu geringeren Preisen wiederverkaufen lassen, trägt dieses Verfahren das Attribut des `downcyclings´.
  3. Das tertiäre Recycling unterscheidet sich technisch vom primären und sekundären Recycling. Es wird ausschließlich auf Basis verschiedener chemischer Verfahren durchgeführt, zu denen die Pyrolyse, Hydrolyse, Chemolyse u.a. zählen. Bei diesen werden die Polymere mithilfe hoher Temperaturen und Drücken in kleinere Poly-, Oligo- oder Monomerstrukturen aufgebrochen.
  4. Die vierte Form des Recyclings ist die Verbrennung der Kunststoffe, bei der CO2, giftige Bestandteile und Energie frei werden. Letztere wird genutzt, ist jedoch meistens geringer als beim Recycling von Kunststoffen (Morris 1996, 277).

Mechanisches Recycling:

Die häufigste Form des Recyclings ist die mechanische (Ragaert et al. 2017, 4) bzw. das primäre Recycling (García 2016, 813). Die Standardkunststoffe PE-HD, PP und das nach Lechner et al. (2014, 593) eher zu den technischen Kunststoffen zählende PET lassen sich mit mechanischen Recyclingverfahren vergleichsweise gut recyceln. Dagegen ist das Recycling von verunreinigten Kunststoffen, PE-LD, PS und vermischten Kunststoffen (`mixed plastics´) mit mechanischen Verfahren eher schwierig (The Center for the Circular Economy 2019, 12).

Zwei der charakteristischen Merkmale des mechanischen Recyclings sind `Compounding & Pelletising´ (Ragaert et al. 2017, 6). Dabei wird das Ausgangsmaterial in einer beheizten Spindel (Extruder) gleichzeitig verschmolzen, verpresst und zu einem kontinuierlichen Polymerstrang, der am Ende in kleine Pellets zerschnitten wird, umgeformt. Bei diesem Vorgang bleiben die Strukturen des Ausgangsmaterials prinzipiell erhalten. Jedoch führt der Prozess bei jedem einzelnen Recyclingvorgang zu molekularen Veränderungen an den Polymeren und somit zu Qualitätseinbußen (Emmerik & Schwarz 2020, 3; La Mantia 2004, 11ff).

Die Qualität der Rezyklate hängt damit beim mechanischen Recycling nicht nur vom Grad der Verschmutzung, der Degradation und der Sortenreinheit der Ausgangsmaterials ab, sondern wird auch maßgeblich von der Häufigkeit beeinflusst, mit der das Ausgangsmaterial recycelt wurde. Die einzelnen Teilverfahren des mechanischen Recyclings sind gut erprobt und in der Regel kostengünstiger als bei chemischen Verfahren, die als eher kostenintensiv gelten (Ragaert et al. 2017, 31). Mechanische Recyclingverfahren lassen sich sogar soweit in ihre Teil- und Einzelschritte zerlegen, dass Eigenbaukonstruktionen im sub-industriellen Maßstab für wenige hundert bis tausende Euro möglich werden (Precious Plastic 2020).

Chemisches Recycling:

Beim chemischen Recycling werden die Polymerstrukturen der Kunststoffe – im Gegensatz zum mechanischen Recycling – aufgebrochen. Auch werden Verunreinigungen und Additive entfernt. Das Ziel des chemischen Recyclings ist es, je nach Verfahren, Poly-, Oligo- oder Monomere zu erhalten. Neben der Pyrolyse, Hydrolyse und Chemolyse existieren verschiedene andere technische Verfahren (Ragaert et al. 2017, 17ff; Niaounakis 2017, 250ff; Al-Salem et al. 2009, 2631). Insbesondere die Pyrolyse ist ein technisch vergleichsweise gut erprobtes Verfahren, das auch in Niedriglohnländern zum Einsatz kommt. Es eignet sich zum Recycling von Kunststoffgemischen aus PE, PP und PS, mehrschichtigen Verpackungen, faserverstärkten Verbundwerkstoffen oder Polyurethanen, die im Bau- und Abrissgewerbe zum Einsatz kommen (Ragaert et al. 2017, 18).

Allerdings setzt sowohl die Pyrolyse als auch die Chemolyse einen kontinuierlichen Strom an Ausgangsmaterialien voraus, um kosteneffizient betrieben werden zu können (Ragaert et al. 2017, 20 & 31). Die Sicherheit, dass dieser Materialstrom gewährleistet werden kann, ist in vielen Niedriglohnländern durch die Beteiligung von Abfallsammlern aus dem informellen Sektor, die nur sich selbst und ihren Familien verpflichtet und häufig nihct an Verträge gebunden sind, nicht zwangsläufig gegeben. Zudem führen die genannten Verfahren im Ergebnis ausschließlich zu den Polymeren, die vorher eingespeist wurden. Wenn auf dem Markt genau diese Polymere nicht nachfragen werden, entsteht ein Absatzproblem.

Um gegenüber diesem Problem flexibler aufgestellt zu sein, haben in den vergangenen Jahren nahezu 100 Unternehmen chemische Recyclingverfahren entwickelt, die im Ergebnis zu Monomeren bzw. zu petrochemischen Grundbausteinen, wie z.B. Naphtha führen. Dadurch können sie flexibler auf Marktanforderungen reagieren. Jedoch verbrauchen diese Verfahren umso mehr Energie, je eher die Ergebnisse den chemischen Grundbausteinen der petrochemischen Industrie entsprechen sollen. Zudem befinden sich viele dieser Verfahren in der Forschungs- bzw. Pilotphase (Crippa et al. 2019, 168). Ansätze anderer Firmen haben zwar Produktreife, benötigen jedoch durchschnittlich weitere drei bis vier Jahre, bis sie im Markt produktiv eingesetzt werden können (The Center for the Circular Economy 2019, 14 & 16).


Literatur (sofern nicht direkt verlinkt)
mit letztem Zugriff am 11.12.2020:

  • Al-Salem, S. M.; Lettieri, P. & Baeyens, J. (2009): Recycling and recovery routes of plastic solid waste (PSW): a review, Waste management (New York, N.Y.), Jg. 29, H. 10, 2625–2643; DOI: 10.1016/j.wasman.2009.06.004
  • Hellerich, W.; Harsch, G. & Haenle, S. (2010): Werkstoff-Führer Kunststoffe. Eigenschaften, Prüfungen, Kennwerte. s.l.: Carl Hanser Fachbuchverlag, 10. Aufl.
  • La Mantia, F. P. (2004): Polymer Mechanical Recycling: Downcycling or Upcycling?, Progress in Rubber, Plastics and Recycling Technology, Jg. 20, H. 1, 11–24; DOI: 10.1177/147776060402000102
  • Lechner, M. D.; Gehrke, K. & Nordmeier, E. H. (Hrsg.) (2014): Makromolekulare Chemie. Ein Lehrbuch für Chemiker, Physiker, Materialwissenschaftler und Verfahrenstechniker. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, 5. Auflage; DOI: 10.1007/978-3-642-41769-6
  • Martens, H. & Goldmann, D. (2016): Recyclingtechnik. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden; DOI: 10.1007/978-3-658-02786-5
  • Morris, J. (1996): Recycling versus incineration: an energy conservation analysis, Journal of Hazardous Materials, Jg. 47, H. 1-3, 277–293; DOI: 10.1016/0304-3894(95)00116-6
  • Niaounakis, M. (2017): Management of Marine Plastic Debris. Prevention, recycling, and waste management. Oxford, United Kingdom: William Andrew is an imprint of Elsevier
  • Rahimi, A. & García, J. M. (2017): Chemical recycling of waste plastics for new materials production, Nature Reviews Chemistry, Jg. 1, H. 6; DOI: 10.1038/s41570-017-0046